Zeichensysteme beim Essen

Gedecksprache

Es ist oft von Bestecksprache die Rede, mit der man seinen Status beim Essen eines Ganges signalisieren kann. Aber es gibt viel mehr Zeichen, mit denen Gast, Gastgeber und Service nonverbal kommunizieren können. Die grundlegendste Information im Gedeck ist die, welches Besteck und welches Glas als nächstes benutzt werden. Die allgemein bekannte Leserichtung „von außen nach innen“ stimmt zumindestens beim englischen Gedeck, bei dem das Dessertbesteck, eingereiht in die Speisefolge, ebenfalls rechts und links des Tellers eingedeckt wird, und wenn die Trinkgläser in einer Linie stehen.

Hinter dieser Regel steckt ein ganz praktischer Sicherheitsaspekt. Besonders bei den Messern auf der rechten Seite könnte man Gefahr laufen, sich an der Schneide eines benachbarten Messers zu verletzten, wenn man von innen her das Besteck aufnehmen würde. Aufgrund des Bedürfnisses nach Sicherheit liegen die Messer mit der Schneide zum Teller. Es gibt bei der Von-außen-nach-innen-Regel allerdings zwei Sonderfälle: der Butterstreicher auf dem Brotteller und das Wasserglas. Beide werden meist gleich zu Anfang genutzt, man darf aber immer wieder zu ihnen „zurückspringen“, egal bei welchem Gang man sich gerade befindet. In Frankreich steht das Wasserglas als größtes Glas ganz links, die Weingläser werden aber von rechts nach links benutzt. (Siehe dazu den Abschnitt Französisches Gedeck auf der Seite Tischgedeck und Tafelarrangement)

In der international häufiger vorkommenden Eindeckung, bei der die Dessert- und Käsebestecke oberhalb des Tellers liegen, müsste die Regel korrekterweise „von rechts und links über die Mitte nach oben“ heißen. Die oberen Bestecke werden nämlich von „innen nach außen“ (sic!) benutzt. Beim Eindecken werden diese Bestecke in der absteigenden Reihenfolge der Gefährlichkeit vom Teller weg platziert. Oft werden die oberhalb des Tellers liegenden Teile zum jeweiligen Gang durch das Servicepersonal heruntergezogen. Durch das Herunterziehen liegen die Bestecke wieder in der Von-außen-nach-innen-Richtung.


Serviettenzeichen

Aufnehmen der Serviette

Eine traditionelle Regel lautet, dass der Gastgeber die Serviette als Erster vom Gedeck nimmt, ausbreitet und auf den Schoß legt. Er gibt damit dem Service und den Gästen das Signal, dass das Essen beginnt. In Restaurant stört oft die gefaltete Serviette beim Lesen der Menükarte. Deshalb kann es der Situation angemessen sein, vor dem Aufschlagen der Karte die Serviette auszubreiten.

Ablegen der Serviette

Eine häufig gestellte Frage ist die nach dem Ablageplatz der Serviette, wenn man den Tisch zeitweilig oder endgültig verlässt. In Europa ist es üblich, die Serviette links oder, weil dort aufgrund des Brottellers kein Platz frei ist, rechts leicht gefaltet neben das Gedeck zu legen; die benutzte Seite wird dabei nach innen gefaltet. Man sollte beachten, im „eigenen Raum“ zu bleiben und nicht in den Bereich des Tischnachbarn zu kommen, was stören oder zu Verwechslungen führen könnte. Die Differenzierung, wie Elisabeth Bonneau in ihrem Buch „Großer Ess- und Tischknigge“ erläutert, dass die Serviette bei kurzer Abwesenheit links neben das Gedeck, bei Beendigung des Mahls rechts zu legen, dürfte so gut wie niemanden geläufig sein und häufig an rein praktischen Dingen scheitern.

In den USA ist es üblich, die Serviette bei kurzzeitigem Verlassen des Tisches auf die Sitzfläche des Stuhls zu legen. Wer aus europäischer Sicht dabei Unbehagen verspürt, kann sich mit der Stuhllehne behelfen. Am Ende des Essens ist die lose zusammengefaltete Serviette in die Gedeckmitte zu legen – allerdings nur, wenn sich dort kein Teller mehr befindet.


Besteckzeichen

Aufnehmen des Bestecks

Ähnlich wie bei der Serviette gibt die Gastgeberin oder der Gastgeber mit der Aufnahme des Bestecks ein Zeichen für alle Gäste, dass nun mit dem Essen des Ganges nun begonnen wird. Sollte sich aus logistischen Gründen das Einsetzen aller Teller verzögern, dürfen Gastgeber natürlich auch diejenigen, die schon einen Teller vor sich stehen haben, zum Beginn des Essen verbal auffordern.

Besteckablage auf dem Teller

Über die Bestecksprache wird viel geschrieben und dabei gerne übertrieben. Eine Mär, die gerne verbreitet wird, ist, dass man mit dem Besteck die empfundene Qualität des Essens ausdrücken kann. Dies wäre grob unhöflich, weshalb hier darüber kein weiteres Wort verloren wird. Mit dem Besteck kann der Teilnehmer eines Essens anzeigen, in welchem der drei möglichen Stadien er sich beim aktuellen Gang befindet. Diese Zeichen sind primär an den Service gerichtet. Nachfolgend ist exemplarisch die Kombination aus Gabel und Messer genannt, die Regeln gelten für andere Kombinationen wie z.B. das Entremet-Besteck entsprechend.

Anzumerken ist, dass es in der Literatur durchaus voneinander abweichende Meinungen gibt. Einigkeit herrscht nur beim Zeichen „Gang beendet“ (abgesehen von der englischen Untervariante). Zumeist wird die Bestecksprache auf zwei Zeichen verkürzt, „Esspause“ und „Gang beendet“, ein Zeichen für „Nachschlag erbeten“ scheint entbehrlich zu sein. In diesem Zwei-Zeichen-System wird zuweilen das gekreuzte Besteck als Esspausen-Zeichen definiert. Die Autorinnen des Netzwerkes „Etikette-Trainer-International“ definieren die Zeichen Esspause und Nachschlag genau andersherum, mit dem Argument, das bei gekreuzten Bestecken das Nachlegen schwieriger sei (z.B. in: Susanne Helbach-Grosser „Erfolg mit Takt & Stil“). Entgegenhalten könnte man, das auf einem gefüllten Teller gewöhnlich kein Platz für das gekreuzte Besteck ist. Die folgenden Ausführungen und Festlegungen finden sich auch in Buch „Der feine Unterschied“ von Maria Prinzessin von Sachsen-Altenburg sowie in den Ratgebern von Horst Hanisch aus der „Kleinen Knigge Reihe“ und beruhen auf der international gängigeren Variante für die Esspause (Vgl. dazu: Florance LeBras, „La Bible du Nouveau Savoir-Vivre“, Debrett’s „A-Z of Modern Manners“ und Nicholas Clayton „A Butler’s Guide to Table Manners“).

Zuweilen sieht man in anglosächsischen Ländern und deren ehemals kolonialen Einflussbereichen, dass die Gabel mit den Zinken nach unten abgelegt wird, analoges ist auch beim Zeichen „Gang beendet“ zu beobachten. In der us-amerikanischen Literatur wird dies irritierenderweise „continental style“ bezeichnet, in der britischen Literatur nicht weniger irritierend „à la mode française“. In Wahrheit passt es vollkomen zur englischen Etikette, beim Essen die Gabel durchweg mit dem Rücken nach oben zu nutzen. (Vgl. dazu: Debrett’s „A-Z of Modern Manners“ und Nicholas Clayton „A Butler’s Guide to Table Manners“, Suzanne von Drachenfels „The Art of a Table. A Complete Guide to Table Setting, Table Manners, and Tableware“).

Esspause

Um zu signalisieren, dass man noch weiter essen wird und nur eine kurze Pause macht, legt man das Besteck ungekreuzt auf dem Teller ab, wie auch immer es der Platz, den die angerichtete Speise lässt, erlaubt. Dabei berühren Gabelkelle und Messerklinge den Tellerspiegel, die Griffe liegen auf dem Rand auf. Tabu ist, dass die Bestecke die Tischdecke berühren. Der praktische Grund, der dahinter steckt: am Besteck haftende Soße soll nicht daran herunterlaufen und die Tischwäsche beschmutzen können.

Für die US-amerikanische Variante wird das Messer oben rechts diagonal auf der Fahne abgelegt, die Gabel unter rechts diagonal. Das beruht auf der besonderen Gewohnheit, das Messer nach dem Schneiden der großen Stücke eben dort oben auf der Fahne abzulegen, die Gabel von der linken Hand in die rechte zu wechseln und ohne Messer weiterzuessen. (Vgl. dazu: Suzanne von Drachenfels „The Art of a Table. A Complete Guide to Table Setting, Table Manners, and Tableware“)

EsspauseAmerikanisch

Nachschlag erwünscht

Es ist selten geworden, dass man Nachschlag bekommt. Der Tellerservice, auch amerikanischer Service genannt, hat uns feste Portionsgrößen beschert; selbst in der Hochgastronomie sind die Servierarten Französisch, Russisch und Englisch sehr selten geworden. So wird man dieses Besteckzeichen womöglich nur am familiären Esstisch (beim sogenannten deutschem Service) nutzen können.

Allerdings können ökologisch-orientierte Teilnehmer eines Buffets mit diesem Zeichen dem Service mitteilen, dass sie den Teller und das Besteck bei nächsten Gang zum Buffet weiternutzen. Dies entspricht nicht der derzeitigen Etikette. Aber viellleicht ändert sich dies in naher Zukunft im Zuge eines allgemeinen stetig steigenden ökologischen Bewusstseins.

Gang beendet

Möchte man dem Service mitteilen, dass man (trotz eventuell vorhandener Reste) nicht weiter isst, legt man die Bestecke parallel mit den Griffen nach rechts unten ab. So liegend lässt sich das Besteck sicher von rechts ausheben. Es kann beim Anheben des Tellers nicht so einfach herunterrutschen. Zusätzlich kann die Servicekraft kurz nach dem Anheben den Teller in die entgegengesetzte Richtung kippen. Die Besteckgriffe rutschen zum Daumen, der den Teller von oben festhält.

Früher konnte ein Gastgeber seinen Gästen anzeigen, dass der Gang beendet ist. Sobald der Gastgeber die Bestecke parallel legte, hatten auch die Gäste als bald als möglich das Essen einzustellen; einen Nachschlag zu nehmen wäre ab diesem Zeitpunkt unschicklich gewesen. In anderen Quellen wird der Gastgeber angehalten, sein Besteck erst dann in diese Position zu legen, wenn alle Gäste ihr Mahl beendet haben, als Signal an den Service, dass jetzt nun abgeräumt werden soll.

In England liegen Gabel und Messer am Ende eines Ganges ebenfalls parallel, allerdings nicht schräg sondern vertikal auf der Centrallinie. Meist ist dabei der Gabelrücken nach oben gedreht. Dies entspricht der englischen Gewohnheit, die Gabel beim Essen durchweg so zu halten. Auch beim Essen von Erbsen! Die vertikale Lage erschwert zwar dem Service den Teller mit Besteck sicher auszuheben, allerdings galt in England früher die Regel, dass ein Gast nie einen leeren Platz vor sich haben darf.  Dies lässt sich nur bewerkstelligen, indem der benutzte Teller links ausgehoben und sofort der Teller für den nächsten Gang von rechts nachdeckt wird. Dabei wäre es praktischer, das Besteck mit den Griffen schräg nach links unten abzulegen. Womöglich wurde in der Zeit, in der das Links-Ausheben zum Rechts-Ausheben wechselte (aber man nicht genau wusste, wie dies am Ort, an dem man sich befand, gehandhabt wurde), das Besteck auf der Centrallinie platziert. So kann der Teller ganz gleich ob von der linken oder rechten Seite kommend sicher aufgenommen werden. Doch dies kann man nur vermuten.

Nimmt man die englische Weise und legt die drei Zeichen übereinander, lässt sich die „Klappenbewegung“ des Bestecks erkennen: Die Griffe wandern immer weiter aufeinander zu, bis sie schlussendlich beieinanderliegen bzw. parallel zur Centrallinie liegen. Dies hilft besonders bei im tiefen Teller servierten Suppen, die nur mit einem Besteckteil, dem Löffel gegessen werden; an der Größe des Winkels kann die Servicekraft erkennen, ob der Gast noch isst oder den Gang trotz eines Restes beendet hat.

Bei einer Suppentasse signalisiert der auf die Untertasse abgelegte Löffel, dass man das Essen der Suppe beendet hat.





Brot- und Butterzeichen

Gleich zu Beginn eines Essens können Gastgeber und Restaurantbetreiber ihren Gästen ein Zeichen geben, ob zum Brot auch Butter oder ähnliches gereicht wird. Gibt es einen Butterstreicher, gibt es es auch Butter oder einen anderen Aufstrich. Wurde kein Butterstreicher eingedeckt, gibt es auch keinen Aufstrich. Dann gebietet die Etikette, dass man auch nicht danach fragt.

Teelöffel in der Tasse

In England und Ostfriesland stellt man den Teelöffel in die Tasse, um seinem Gastgeber mitzuteilen, dass man keinen weiteren Tee eingegossen bekommen möchte. In Ostfiesland hat der Teelöffel nur diese eine Funktion, da dort der schwarze Tee mit Kandis und Sahne-„Wolke“ nicht umgerührt wird. Bis in die 1950er Jahren war dieses Besteckzeichen auch in anderen Regionen in Deutschland gängig. (Siehe auch: Tassenzeichen)

Glaszeichen

Nachschenken erwünscht oder auch nicht

Im Allgemeinen reicht ein kurzes Handzeichen des Gastes, um dem Servicepersonal oder Gastgeber anzuzeigen, ob man ein Getränk nicht eingeschenkt bekommen möchte; ganz egal ob es erstmalig angeboten wird oder nachgeschenkt werden soll. Man kann auch gleich zu Beginn äußern, auf Wein während des gesamten Essens zu verzichten, und die entsprechenden Gläser ausheben lassen. Das verhindert erneutes Anbieten.

In einigen Kulturkreisen könnte ein leer getrunkenes Glas beim Gastgeber die Angst auslösen, er könne ungastlich oder geizig wirken. Dann sollte man sich aus Höflichkeit das Glas vollschenken lassen und nach kleinem Nipp den größten Teil im Glas stehen lassen.

Tassenzeichen

Nachschenken nicht erwünscht

Im 18. und 19. Jahrhundert stellte man die geleerte Tee- oder Kaffeetasse umgedreht, also mit der Öffnung nach unten, auf der Untertasse ab, um anzuzeigen, dass eine Wiederbefüllung nicht gewünscht wird. Heute ist dieses Zeichen unüblich.

(Siehe auch den Abschnitt Begriffe und Voraussetzungen auf der Seite Tischgedeck und Tafelarrangement)

Serviettenzeichen

Die Serviette wird erst vom Tisch genommen, entfaltet und auf den Schoß gelegt, wenn der erste Gang serviert wird. Früher gab die Gasgeberin oder der Gastgeber mit ihrer Serviette das Startsignal: wenn sie die Serviette vom Tisch nahmen, gaben sie dem Service (und den Gästen) das Zeichen, dass nun das Essen serviert werden soll.
Wenn man während eines Essens den Tisch verlässt, hebt man die Serviette vom Schoß und legt sie leicht zusammengefaltet links neben das Gedeck. Wenn der Brotteller nicht zu nah an der Tischkante steht, gehört die Serviette zwischen Brotteller und Tischkante. Die Idee ist, wenn alle Gäste ihre Serviette auf der gleichen (linken) Seite ihre Serviette ablegen, finden alle ihre Serviette wieder. In früheren Zeiten die Regel sehr einfach zu verstehen, da Servietten immer links oder in der Mitte des Gedecks eingedeckt waren, aber nie rechts. Servietten werden heutzutage nur selten auf der linken Seite eingedeckt. In vielen zum Teil auch gehobenen Restaurants wird im Bistrostil eingedeckt, d.h. dass die Serviette rechts des Tellers unter dem Besteck liegt. Deshalb entsteht in unseren Tagen selbst bei formalen Essen oft ein wahres Servietten-Kuddelmuddel auf den Tischen.
Wo die Serviette auf keinen zwischen den Gängen hingehört, ist in die Mitte des Gedecks. Sehr oft lässt sich beobachten, wie Gäste den Teller-Service verzögern, weil die Kellner und Kellnerinnen erst den Gast ansprechen müssen, das dieser die Serviette von dem Platz nimmt, an den der Teller mit dem nächsten Gang eingesetzt werden soll. Und keinesfalls gehört am Ende eines Essens die Serviette auf den benutzen Teller. Die sollte man nicht nur bei Stoffservietten beachten, auch die Papierservietten sollte man nicht in die Soße oder sonstigen Speisereste legen.