George Meister
Von Herba Thee, oder auf Jappansch Tzshë noky
Aus: Der Orientalisch-Indianische Kunst- und Lustgärtner, Dresden 1692
Dieses ist ein Pusch-Gewächse / drey biß vier Schuch hoch / welches in Jappan zwischen ihren Korn- und Reiß-Feldern / gleich wie in Europa auff denen Reinen die Schleen oder Hahnputten[1] / wachsen. Seine Blätter sind wie Kirsch Blätter rund umb gekerbet / ihre Blüthen welche im Julio heraus kommen / sind gleichfalls wie unser Kirsch- oder Apffel-Blüthen / wenn die Jappaner die Blätter zum Thee pflücken wollen / so bedecken sie vorhero diejenigen Sträucher mit Leinwand[2] / damit die Sonne ihnen ihre Kräffte nicht ausziehe alsdenn sammlen Sie die öbersten jüngsten / die Alten halten Sie für unkräfftig darzu/ und wenn sie nach ihrem Bedüncken genug Blätter gepflücket / setzen sie einen großen Kessel mit Wasser übers Feuer / lassen es wohl in denselben auffsieden / alsdenn giessen sie das Wasser hinweg / und schütten die gepflückten Thee-Blätter hinein / und decken hernach den Kessel wohl zu / damit kein Proden heraus kan. Wenn nun der Proden die Thee-Blätter wohl durchfeuchtet / alsdenn streuen sie solche auf langes Bast-Pappier / legen sie auf Horden[3] / worunter glüende Kohlen gleich fast unseren Maltz-Tharren[4] sind / von welcher Hitze sie also sich krümmen und zusammen lauffen. Die Thee-Blätter pflücken sie des Jahres 2. mahl / als von Anfang des May, und das ander mahl zu Ende diesen Monden/ sie sammlen auch die Blüthen davon / welche sie Blatt vor Blatt mir ihren Händen abepflücken / und hernachmahls jedes zusammenwickeln / welche sie Ojandonnassame Tzschë oder Keysers-Thee nennen / dieser wird nicht verführet / sondern es trincket ihn der Keyser und seine Unter-Könige / samt ihren hohen Familien / und kommt ein Kättis[5] oder schweres Pfund in Jappan selbsten 100 Thaler zu stehen / die andern grünen Thëe-Blätter mahlen sie auf einer kleinen hölzern Mühlen zu Pulver und schütten dieses Pulver ins warme Wasser / welches sie beydes zugleich hinnein trinken/ ihr Saamen ist erstlich grün / hernachmahls wenn er recht reiff / schwarz-braun / stecken in 2. oder 3 Häußgen oder Hülfgen / in welchen sie wieder mit einem Kerne verwahret sind / der rechte Saamen lieget 5. Monden unter der Erden/ ehe er auffgehet / und herfurwächset. Sie machen runde Gruben / als eine Schüssel groß / und wenn sie eine quer Hand tieff eingeleget / bedecket man sie des Winters mit Miste / desgleichen verbinden sie auch die anderen Püsche mit Stroh / wie ich slbsten zu Nange Säqui[6] gesehen/ die Thee-Blätter wie ißt gedacht gemahlen / mit warmen Wasser / sauffendie Jappaner Nacht und Tag / und soll nach ihrer Meynung vo vielerley gut seyn / desgleichen thun auch die Chineser, welches Thee weit edler und besser in China wächset / wiewohl die auff Java Major oder zu Batavia[7] wohnen / es auch nicht ermangeln lasse / sondern haben aldar unterschiedene Thee-Häuser / wo es Jahr aus und ein in grosser Quantität täglich als nächtlich getruncken wird/ von allerhand Nationen. Man kan sie auch mit Milche kochen / desgleichen aud die gelben Eyerdotter / mit Saffran und Zuckerkandy.
Anmerkungen
[1] auch Hahnebutten = Hagebutten[2] eine noch heute angewandte Technik bei der Produktion von sogenannten Schattentees, wie zum Beispiel Matcha oder Gyokuro. Tage oder Wochen vor der Ernte werden die Testräucher mit Netzen oder Matten abgedeckt (verschattet) so dass weniger Sonnenlicht auf die Pflanzen fällt, und diese dadurch mehr Chlorophyll (mehr grüne Farbe), Polyphenole (Katechine; Quercetin), Arminosäure (L-Theanin), Vitamine, und Mineralien in den Blätter anreichern.
[3] Gestell bzw. Behälter, geflochten aus Reisig oder Draht, zum Dörren/Trocknen
[4] auch tharan oder darren = dörren, trocknen, malzen
[5] Kätti (engl. Catty, chines. und japan. Kin oder King) ist chinesisches in ganz Ostasien verbreitetes Handelsgewicht. 1 Kätti in Japan entspricht 0,5896 Kilogramm
[6] = Nagasaki, für die Portugiesen und Niederländer vom 16. bis 19. Jahrhundert wichtige, zeitweise für Europäer einzig zugängliche Hafen- und Handelsstadt in Japan
[7] früherer Name von Jakarta, Hauptstadt von Indonesien
George Meister war ein königlicher Hofgärtner und Botaniker am Kurfürstlich-Sächsischen Hof in Dresden. Er bereiste zwischen 1677 bis 1688 Ostasien, und arbeitete dabei ab 1678 als Gärtner für den aus Kassel stammenden Kaufmann, Botaniker, Mediziner und Japan-Forscher Andreas Cleyer. Meister veröffentliche 1692 seine während des Aufenthalts in Ostasien gemachten Pflanzenstudien als Bericht unter dem Titel Der orientalisch-indianische Kunst- und Lust-Gärtner. Darin beschreibt er auch in Europa erstmalig die Zier-Kamelie:
„Arbor Zuwacky oder Sasanqua auf Chinesisch. Ist ein kleiner Baum, 6 bis 8 Fuß hoch, hat dicke, steife rundum gekerbte Blätter wie Birn-Baum-Blätter. Seine Blumen sind roth/ wie Malva hortensis, einfach und duppelt. Wenn sie 6. Tage geblühet/ fallen sie abe und bringen einen schwarzen Saamen/ wie Thee-Samen, herfür.“
Die Verwandtschaft von Kamelie (camellia japonica) und Tee (camellia sinensis) war darmals noch unbekannt, auch wenn Ähnlichkeiten bereits beschrieben wurden.
Digitalisierter Originaltext:
http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs2/object/display/bsb10228988_00001.html