Gemäß dem Eintrag im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm bezeichnet Tafelbrot feines weiszes brot für die herrentafel, also Baguette, Brioche oder anderes Gebäck, das für würdig befunden wurde, auf einer hochherrschaftlichen Tafel verspeist zu werden. Es ließ sich aber auch für andere Zwecke nutzen; die Handhabung und der Genuss wurden einigen Regel unterworfen.
Tellerbrot
Der Brotteller, auf dem Brot zu liegen kommt, ist eine recht junge Erfindung, die sich nicht in allen, auch nicht in allen höheren oder höfischen Kreisen durchgesetzt hat. Viel länger liegt die Verwendung des Brotes als Essunterlage zurück. Bevor Holzbretter, Metall- oder gar Keramikteller im allgemeinen Gebrauch waren, diente im Mittelalter eine Scheibe Brot als Ablage für Bratenstücke, die man mit dem Messer oder Löffel aus den Schüsseln fischte. Bratensaft und Soße wurden vom Brot aufgesaugt, statt komplett in der Tischdecke (sofern es eine gab) zu verschwinden. Man konnte es anschließend selbst aufessen, seinen Bediensteten zum Verzehr überlassen oder in den Almosenkorb werfen, dessen Inhalt dann an die Bettler der Umgebung verteilt wurde.
Tischbrot
Erst Ende des 19. Jahrhundert kommt langsam der Brotteller auf, wie wir ihn heute noch kennen. Gibt es keinen Brotteller liegt das Brötchen, Hörnchen, Kipferl oder ähnliches Gebäck auf oder in der gefalteten Serviette. Vor dem Entfalten legt man es links neben das Gedeck direkt auf die Tischdecke. Das erklärt auch, warum Brot nicht mit dem Messer geschnitten, sondern mit den Händen gebrochen wird. Ohne unterliegenden Teller würde man beim Schneiden des Brotes mit dem Messer die Tischdecke beschädigen. Und die Regel, dass man nur das kleine abgebrochene Stückchen und nicht das ganze Gebäckstück mit Butter bestreicht, verhindert Fettflecken auf dem Tafeltuch.
Brotbesteck
Viel länger als der Einsatz als Tellerersatz hielt sich das Benutzen von Brot als Besteckersatz. Die Hochetikette von heute rät davon allerdings ab und degradiert das Tafelbrot zur reinen Sättigungsbeilage, die nur mit Butter oder Dip gegessen werden darf. Dabei ist ein Stückchen Brot ein wahres Multifunktionswerkzeug.
In einigen Kreisen wird Salat ausschließlich mit der Gabel gegessen. Unterstützend kann man beim Klappen und Aufspießen der Salatblätter mit der Gabel in die andere Hand ein Stückchen Gebäck nehmen, was oftmals viel effektiver ist, als diese Aufgabe mit dem Messer bewältigen zu wollen. Bei Fischessen kann Brot das Fischmesser ersetzen, sofern es sich um einen ganzen Fisch handelt, den es von den Gräten zu befreien gilt. Mit dem Stückchen Brot lässt sich das Fischfleisch einfach von den Gräten schieben. Ein normales Messer birgt die Gefahr, dass mit der scharfen Schneide die Gräten zerschnitten und von der Wirbelsäule getrennt werden. Passiert dies, lassen sich die Gräten nur noch sehr schwer vom Fleisch separieren. Deshalb nutzt man besser ein Fischmesser, einen Gourmetlöffel oder eine zweite Gabel zum Essen eines solchen Fischgerichts. Oder eben ein Stück Brot.
Apropos Gourmetlöffel, der angeblich 1950 im Pariser Restaurant Lasserre erfunden wurde. Mit seiner sehr flachen Laffe lassen sich auf einem flachen Teller Soßen und Suds gut aufnehmen. Doch trotz Beschwörung und Verehrung durch die Etikettetrainergilde, bei gleichzeitiger Verpönung des Brottunkens, ist diese Art von Löffel auch in der gehobenen Gastronomie nicht überall anzutreffen. In weniger formellen Situationen ist das Tunken allerdings gängig. Dabei sollte man aber wirklich nur tunken, nicht großflächig wischen.
Doch auch zu kleinen Reinigungen lässt sich Brot heranziehen, was allerdings mit den gefallenden Preisen für Besteck und der Verbreitung von Spülmaschinen sich vermeintlich erübrigt hat. Noch 1904 schrieb Eustachius Graf Pilati von Thassul zu Daxberg in seinen „Etikette-Plaudereien“:
„Beobachtet man, daß die Gastgeber das Besteck nach dem Gebrauch neben den Teller legen, so macht man dies eben mit, wenn man befürchten muß, die Wirte sonst in Verlegenheit zu setzen, indem man ihnen den Mangel an Messerbänkchen oder an genügendem Besteck zum Wechseln desselben fühlbar macht. Um das Tischtuch zu schonen, wird man dann eben das Besteck, bevor man es niederlegt, schnell und unauffällig an einem Stückchen Brot, das man nachher auf den Teller legt, einmal abreiben oder auch möglichst geräuschlos Messer und Gabel gegen einander reiben, aber niemals am Tellerrande abstreifen, wenn man Wert auf gute Formen legt.“
Das Erinnern dieser Regel und deren allgemeine Akzeptanz könnten helfen, Buffets ganz gleich ob zum Frühstück, Mittag- oder Abendessen ein wenig umweltfreundlicher zu gestalten.
Brotteller
Kommen wir zurück zum Brotteller. Gibt es einen, dann ist er bereits eingedeckt, bevor sich die Gäste an den Tisch setzen. Seine Position ist eigentlich links oberhalb des Gedeckcentrums (in der Grafik mit A markiert). In Deutschland gibt es alternative Möglichkeiten ihn unten, mittig oder oben am Gedeckzentrum auszurichten (B1 bis B3).
Die unpraktischste Position des Brottellers ist unten an der Grundlinie (B3). Dort macht er das Ablegen des Handgelenks unmöglich und für die Serviette ist während einer kurzen Abwesenheit ebenfalls kein Platz. Die Position entstand vermutlich bei der übermässigen Belegung von runden Tischen bei Banketten. Durch diese unelegant gequetschte Tischordnung wandert der Brotteller zwangsläufig immer weiter zur Grundlinie. Deshalb gilt, je weiter oben der Brotteller steht, um so besser.
Brotmesser
Wenn hier von Brotmesser die Rede ist, meint das nicht das große Messer, das mehr eine Säge ist, sondern eines der kleinsten die sich auf einem Esstisch finden lassen. Es wird auch, je nach Gestaltung, Butterstreicher genannt. Letzteres beschreibt seinen Gebrauch auch treffender, da ja das Brot nur gebrochen werden darf. Es ist das einzige Besteckteil, das bei der klassischen Eindeckung eines Couverts für ein Mittagessen oder Abendessen auf einem Geschirrteil liegt und nicht daneben direkt auf dem Tisch. Gängig sind die deutsche (d), englische (e1) und amerikanische Variante (a) der Positionierung auf dem Teller. Nur bei Staatsbanketten in den königlichen Speisesälen in Großbritanien wird der Butterstreicher quer oberhalb des Brottellers direkt auf dem Tisch liegend eingedeckt (e2).
Mit dem Brotmesser, bzw. mit dem Nichtvorhandensein eines solchen können Gastgeber und Restaurantbetreiber ihren Gästen ein Zeichen geben. Gibt es einen Butterstreicher, gibt es es auch Butter oder einen anderen Aufstrich. Ist kein Butterstreicher eingedeckt, gibt es auch keinen Aufstrich. Dann gebietet die Etikette zudem, dass man auch nicht danach fragt.